Kunstpreisträgerinnen 2022

„Die Medien von Erika Kassnel-Henneberg sind Collage, Fotografie und Video. Die Inhalte ihrer Arbeiten kreisen um eigene wie gefundene Erinnerungen und deren künstlerische Reflexion. Im Mittelpunkt ihres Interesses steht stets der Mensch mit seiner subjektiven Wahrnehmung und seiner Fähigkeit sich zu erinnern, zu vergessen, zu assoziieren und bewusst oder unbewusst seine je eigene Utopie zu erschaffen. Dabei charakterisiert die Künstlerin das Vergessen als eine Fähigkeit, nicht als Manko. Diesen ihr eigenen Ansatz bettet sie zugleich in eine erweiterte, existenzielle Fragestellung ein. „Heute wissen wir, dass Erinnerung weder wahr, noch objektiv, noch vollständig ist. Wir legen Spuren, sammeln Dokumente und Fotografien, und archivieren diese. Ich sehe darin einen existenziellen Zweifel: Wer bin ich wirklich, wenn ich meinem und dem Gedächtnis anderer nicht trauen kann? Wenn ich keine Spuren hinterlasse, habe ich dann jemals existiert?“

Schon in ihren früheren Collagearbeiten, die von hoher ästhetischer Qualität sind, und von sensiblem Umgang mit den verwendeten Materialien zeugen, spiegelt sich die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte wieder. Als Betrachtende finden wir in diesen aus Zeichnung, Frottage, diversen Papieren, Fotos und Wachs zusammengefügten künstlerischen Bildern immer wieder ein grundsätzliches Nachdenken über das Wesen von Erinnerung. Dies zeigt sich auch in den Polaroids der Künstlerin, die eine konzentrierte, eigene Werkgruppe darstellen. Technische Beobachtungen (z.B. des „Rauschens“ als einer physikalischen Größe) schlagen sich hier in eigenen ästhetischen Entwürfen nieder: „Die Polaroidkamera macht Erinnerung sichtbar. Sie hat einen subjektiven und fehlerhaften Blick auf die Welt. In ihr rauscht die Gegenwart und hinterlässt einen vagen Blick auf Vergangenes“. Diesen finden wir auch in den experimentellen Videoarbeiten, die bei aller technischen Raffinesse manchmal fast wie bewegte, verblichene Bilder aus einem Familienalbum vergangener Tage wirken. All das zusammen ergibt einen homogenen künstlerischen Gesamtentwurf, der mit dem äußerst gewissenhaft aufgebauten CV in der Bewerbungsschrift der Künstlerin überzeugend in Einklang steht.“

Auszug aus der Begründung der Jury zur Kunstpreisverleihung 2022 am 26.09.2022

Ansichtssache-Rezension

Auszug aus der Eröffnungsrede von Helm Zirkelbach anlässlich der Ausstellung „Ansichtssache“ in Münsingen:

Mit den 365 Kunstkarten auf schwarzen Holztafeln von Eri Kassnel kommt auf einen Schlag eine dritte wiederum ganz andere Handschrift ins Kunstspiel der Karten und unschwer erkennen wir viele Religiöse Motive, Heiligenbilder und Darstellungen der Mutter Gottes und dem Jesuskind.
Diese beginnt die Künstlerin zu verweben mit Fotografien aus ihrer eigenen Vergangenheit, somit verbindet sie auf faszinierende Art, lebende, ihr selbst bekannte Menschen, wie ihre eigene Mutter und verwebt sie mit der Muttergottes, stellt sie ins Zentrum, oder stülpt der Heiligendarstellung einen anderen größeren Kopf auf, das irritiert und lässt mich erstaunen, mit was für einer Leichtigkeit dies zu gelingen scheint.

Der gute Katholik glaubt an einen Gott der Person ist, dies ist aber nicht zu beweisen und man muss daran glauben, um es dann als Wirklichkeit anzuerkennen. Die Seele ist dann das Symbol, das die Einheit des menschlichen und göttlichen Personseins umschreibt. Eri Kassnels Darstellungen dieser Mutter-Sohn-Bindung zeigen für mich diese
Gratwanderung auf, indem sie Personen aus ihrem Umfeld z.B. in eine mit Gold besetzte Monstranz schemenhaft einfügt und sie somit zur Anbetung und Verehrung frei gibt.

Oder die große schwarz gerahmte Collage hier drüben an der Wand, auf weiß getünchter Zeitungsvorlage erscheint die Schwarz-Weiß Aufnahme einer Frau, vielleicht mit ihren zwei Töchtern? Sie tragen alle drei Kleider aus ein und demselben Stoff, in der Mitte ist eine Postkarte einer Monstranz mit Heiligenfiguren, darüber steht handschriftlich Dreifaltigkeit. Bezieht sich nun die Dreifaltigkeit auf die Kleidung der Frauen oder aber auf die Anordnung und Göttlichkeit der Personen, das bleibt uns Betrachtern überlassen.

Manchmal ist mitten im Sommer Herbst, manchmal mitten im Tag etwas nächtliches, wie die negativ Aufnahme eines alten Baumes, ich bin fasziniert und ich fühle mich starr, wie ohne Gelenke, wie ohne Glieder.
Das Kind, der Säugling Jesus wird ausgewechselt mit vielleicht dem Bruder oder sonst wem und es wird dadurch für uns alle begreifbar das das Kleinkind nur im Vertrauensvorschuss auf seine Mutter sich entwickeln kann, nur im Vertrauen auf eine andere Person, kann das eigene Person-sein sich fruchtbar entwickeln.

Auch zeigt uns die Künstlerin das dies nicht immer gelingen kann, indem sie roboterhafte Dämonen auftauchen lässt, die Mutter komplett einschwärzt und verschleiert, indem sie eine Vielzahl von Störungen in die Beziehung einbaut und wir erahnen, das wir selbst eine enorme Anzahl von Störungen in uns tragen.

Dies scheint für mich die zentrale Aussage der aufreibenden und durchaus verstörenden Ikonenhaften Bildchen der Eri Kassnel zu sein. Aber, schauen sie selbst, und finden sie es selber heraus wohin diese ungewöhnliche Reise geht.

v.l.n.r: Helm Zirkelbach, Erika Kassnel-Henneberg, Marlies Achermann-Gisinger und Antje Fischer

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Hold Me Dear

Eine kuratierte Fotogalerie von aussergewöhnlichen Orten.

https://www.holdmedear.co.uk/

https://www.holdmedear.co.uk/portraits?lightbox=image_1wcz

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Kunstradio Ö1

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VideoGUD in Gävleborg

28.04. – 18.05.2016

Übersetzung:

In „Heimat ist anderswo“ erforscht Eri Kassnel die schmerzhafte Erfahrung, aus dem Kontext und den Beziehungen, mit denen wir uns identifizieren können, herausgerissen zu werden; den Verlust einer verlorenen Existenz und die Sehnsucht, die Heimat wiederzufinden. Durch das Archiv der Momente im Fotoalbum können wir in Erinnerungen eintauchen und hoffen, dass die geordnete Abfolge der Bilder uns ehrliche Antworten gibt, die den Gefühlen und Empfindungen entsprechen, die wir wieder erleben wollen.

Doch die Fotografien in Kassnels Werk suggerieren nie einen Weg zurück. In gewissem Maße tragen sie eine tatsächliche Patina und sind mit einem affektiven Wert verbunden. Aber in noch größerem Maße werden sie manipuliert, um an etwas Vertrautes zu erinnern, das aber fremd oder irreführend ist, da sie zufällig aus einem fahrenden Auto stammen. Der Satz deutet möglicherweise auf eine Abkehr von den unbewussten Idealisierungen der Nostalgie hin, und der Titel des Werkes eröffnet eine weitere Suche. Vielleicht ist Heimat kein Ort, sondern ein sozialer Prozess, bei dem wir die Möglichkeit haben, andere kennen zu lernen? Vielleicht können wir anderswo ein Zuhause finden?

Eri Kassnel (geb. 1973 in Timisoara, Rumänien) studierte an der Hochschule für Gestaltung in Bern und arbeitet in Diedorf, Deutschland. In ihren Installationen, Collagen, Fotografien und Bewegtbilddarstellungen kommt sie immer wieder auf die Bedeutung der Erinnerung für die Konstruktion des Selbst zurück und darauf, wie die Vorstellungen von Herkunft und Heimat durch ein Leben im Exil beeinflusst werden. https://videogud.se/program/eri-kassnel/

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Kunstpreis der Stadt Krumbach 2013

Aus der Laudatio zum Kunstpreis der Stadt Krumbach, 12.3.2013:

Heimat ist anderswo ist ein Buchobjekt und Teil einer geplanten mehrteiligen Reihe: bisher sind davon zwei Alben fertiggestellt, ein weiteres ist im Entstehen. Die Künstlerin selbst erweitert die Titelaussage zu einem Bedingungssatz: „Heimat, hat man sie einmal verloren, ist immer anderswo“. Was im ersten Moment tautologisch klingt, löst Fragen aus: Kann man Heimat wiederfinden? Kann man sie nur in der Vergangenheit haben oder ist Heimat am Ende eher eine Utopie oder ein Trauma? Diese allgemeinen Fragen erfasst und verarbeitet Erika Kassnel-Henneberg in einer sehr persönlichen, ruhigen Weise, die den Betrachter jedoch nicht ausschließt, sondern ihn durch sinnliche Präsenz anlockt: Alte Fotoalben werden aufwendig restauriert, mit golden eingerahmten, an Ikonenmalerei erinnernden Bildfenstern versehen und dann mit persönlichem Material bestückt: Die Fotos sind zum kleineren Teil historische Relikte, zum größeren aber eigene Aufnahmen der Künstlerin, die meisten davon Schnappschüsse aus dem fahrenden Auto heraus; damit wird schon formal das Reisen, das Suchen, das Nicht-Zu-Hause-Sein angesprochen. Gleichzeitig spiegeln die neuen und mit einer digitalen Patina belegten Bilder die Schwierigkeiten der Suche nach Heimat: sie sind Sehnsuchtsbild und Fake zugleich, immer wieder versuchte Aneignung der Vergangenheit und Suche nach der eigenen Position in der Gegenwart. Das Werk ist kein spektakulärer ,,Hingucker“ – es ist eine „leise“ konsequent durchgeformte Arbeit, die umso mehr Seiten entfaltet, und umso mehr Saiten zum Klingen bringt, je mehr man sich Zeit mit ihr lässt.“