In dieser Rauminstallation trage ich Fundstücke aus der Vergangenheit zusammen, die ich im Keller und im Gedächtnis gefunden habe: Ein Kunstdruck, der einst über dem elterlichen Ehebett hing, eingerahmt von einer floralen Tabete; ein ausgestopfter Tierkopf, eine stilisierte Plastik eines Hirsches, ein Fernseher. Ein langer Korridor ohne Ein- und Ausgang. Sie alle finden Platz in einem Raum, der real und zugleich fiktiv ist, den wir aber immer und immer wieder im Takt der Zeit durchwandern. Wie Gefangene in einer ewigen Zeitschleife.
Könnte man „Vergessen“ oder „Ewigkeit“ als mathematische Formeln definieren – wie würden sie lauten? Kann eine KI eine logische Antwort darauf finden?
Ein real existierender Raum durchläuft ein „Was-wäre-wenn“ von unendlichen Möglichkeiten, ausgedacht von mir, visualisiert von einer künstlichen Intelligenz. Diese Arbeit wurde für die Veranstaltung „…FRESSEN IHN DIE RABEN“ im Stadttheater Neuburg a.d.Donau (16.06.2024) produziert. Begleitet wurde dieses Video mit einer Live-Performance des Stückes Nocturne von Lili Boulanger (für Flöte und Harfe).
An das Landschaftsbild der Romantik des 19.Jahrhunderts anknüpfend zeigt dieser Videozyklus in 4 Teilen Landschaft als Spiegelbild eines inneren Zustands. Wahrnehmung als Seismograf der eigenen Stimmung – sehr persönlich, fehlerhaft, und immer zwischen Realität und Fiktion, zwischen Beobachtung und Gedanken oszillierend.
Naturgewalten vermengen sich mit Landmarken der Zivilisation und zeichnen keine verklärten Sehnsuchtsorte. Im Rausch der Geschwindigkeit verflüchtigt sich der Augenblick, und kommt doch stets immer wieder – wie die Jahreszeiten.
Alle Videos sind als Loop angelegt – also ohne Anfang und Ende, und scheinbar endlos – wie das gemeinsame Murmeln eines Rosenkranzes oder eines Vater-Unsers.
Frühling
Der Frühling als Sinnbild der Lebenslust, wie ihn die Romantiker sahen? Inspiriert von T.S. Eliots Gedicht „The Waste Land“ entsteht hier ein anderer Eindruck:
April ist der grausamste Monat, treibt Flieder aus toter Erde, mischt Erinnern und Begehren, schreckt Dumpfe Wurzeln mit Frühlingsregen.
Winter hielt uns warm, bedeckt‘ Die Erde mit Schnee des Vergessens, füttert‘ Ein bisschen Leben mit trockenen Knollen. (…)
(aus: T.S.Eliot, The Waste Land – I. The Burial of the Dead.“)
Sommer
Ein Sandsturm taucht die vorbeirauschende Landschaft in warmes Gelb. Schön oder schrecklich? Schrecklich schön?
Sind das die Vorboten einer Apokalypse, die wir selbst verursacht haben?
Oder wundersames Naturschauspiel?
Sind wir auf der Flucht? Wenn ja, wohin?
Oder flieht das Land? Vor uns?
Mir fällt dazu Vilém Flusser (tschechisch-brasilianischer Medienphilosoph und Kommunikationswissenschaftler) ein, der einmal feststellte, dass „Verwurzelung“ und „Heimat“ „Erfindungen“ unserer Zeit sind – auch die Romantiker waren davon beflügelt – , wo doch der Mensch im Lauf seiner Entwicklungsgeschichte die meiste Zeit ein Nomade war…
Herbst
Regen prasselt auf ein Fenster und läßt die Landschaft dahinter seltsam lebendig erscheinen. Atmet sie?
Tobt sie, begleitet von Blitz und Donner?
Ein Vorbote für das nahe Sterben – im Winter!
Winter
Wieder rauscht Landschaft vorbei (ich muss an Schuberts „Winterreise“ denken). Dieses Mal ist es die „Heimat“, die verreist. Vielleicht kommt sie nicht wieder?
Das monotone Abrollgeräusch auf den alten Bahnschwellen klingt wie ein Echo aus der Vergangenheit.
Pandemie, Kriege, Umweltkatastrophen und gesellschaftliche Spaltungen – sind das die Zeichen unserer Zeit? Wenn ja, wie wollen wir darauf reagieren? Verbarrikadieren wir uns und bauen neue Bunker? Oder sollten wir alles dafür geben, sie erst gar nicht zu brauchen?
In audiovisuellen, begehbaren Rauminszenierungen wollen wir einem wachsenden Interesse der Gesellschaft an Schutzräumen und Zufluchtsorten nachgehen, um deren Ambivalenzen zu visualisieren und Klischees zu hinterfragen. Aufgrund einer zunehmend bedrohlich wirkenden gesellschaftspolitischen Szenerie interessieren wir uns in unserer künstlerischen Auseinandersetzung im Besonderen für eine imaginäre Schutzhaut, die „persönliche“ Schutzhülle, den intimen Zufluchtsort: Diese nicht greifbaren Hüllen sind als Schutzschicht des Menschen im Ringen um die eigene Identität und Kultur von existenzieller Bedeutung: Was macht mich aus? Wie kann ich meine Haltung behaupten? Was bewirkt und bestimmt mein Handeln? Gleiche Fragestellung gilt für ein gesamt gesellschaftliches Empfinden: Wie nehmen wir uns als Kollektiv wahr? Welche Bedeutung haben Werte wie Respekt und Toleranz für uns?
Ehemalige Bunkeranlagen aus der NS Zeit werden ausfindig gemacht, auf Atmosphäre und Nutzbarkeit geprüft und künstlerisch bespielt. Das Rauminnere wird als virtuell animiertes Bühnenbild in den Kunstraum übertragen und dient uns als Kulisse für unsere Inszenierungen.
Ist dies eine Gute-Nacht-Geschichte? Wohl kaum! „Mutter“ ist ein Sinnbild für „Fürsorge“. Aber welche Bedeutung haben „Fürsorge“ und „gute Mutter“? Gibt es universelle Kritterien, die frei von sozio-kultureller Prägung sind? Tatsächlich wird das Mutterbild von gesellschaftlichen Konventionen geprägt, die – über die Zeit betrachtet – nicht immer gleich waren.
Hier vermischen sich Erinnerungen und Märchen, Wahres und Erdachtes, und werden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zu einem bewegten Albtraum.
„Die Gedanken sind frei“ – ein deutsches Volkslied, das als Ausdruck des Widerstands gegen Unterdrückung immer wieder gesungen wurde. Der Autor und der Komponist sind unbekannt. Bekommt das Lied eine neue Bedeutung, wenn es aus dem „Mund“ einer künstlichen Intelligenz kommt? Welche neuen Strophen würde die Intelligenz in „ihrem Sinne“ erfinden? Für dieses Gedankenexperiment habe ich ChatGPT neue Strophen schreiben lassen. Nur die erste und die letzte Strophe sind mit dem traditionellen Lied identisch. Die lippensynchrone Animation wurde ebenfalls mit Hilfe künstlicher Intelligenz erstellt.
Der Apfel war und ist in vielen Kulturen von hoher Symbolkraft: sei es als Sinnbild für ewige Jugend, ewiges Leben, für Liebe, Fruchtbarkeit, Paradies und Sündenfall.
In dieser Installation schwebt ein goldener Apfel einem Fixstern gleich in der Luft. Auf seiner glänzenden Oberfläche spiegeln sich vertraute Orte. Wie geht es den Menschen dort und in der Welt? Fremdartig dagegen wirken die flächigen Porträts in dieser Landschaft. Wer sind diese Menschen? Die Heilige Familie? Unsere Nachbarn? Es hat sie nie gegeben, sondern sind Outputs einer künstlichen Intelligenz. Wir leben in einer Zeit voller Umbrüche. Neue Technologien vermitteln uns das Gefühl zunehmend die Kontrolle über Wahrheit und Lüge, über Gut und Böse zu verlieren. Ist dies das Paradies auf Erden?
Der Apfel birgt in seinem Inneren ein Geheimnis, denn dort gibt es einen kleinen Stern, gebildet aus 5 Kernen. Er soll uns daran erinnern, dass unser Handeln darüber entscheidet, ob wir dem „Paradies auf Erden“ ein Stück näher rücken.
Ortsspezifische Installation.
Deep Paradise @ St.Konrad / Augsburg-Bärenkeller, 2023, Video mit Ton, 6:07 min
Der (goldene) Apfel war und ist in vielen Kulturen von hoher Symbolkraft: sei es als Sinnbild für ewige Jugend, ewiges Leben, für Liebe, Fruchtbarkeit, Paradies und Sündenfall, und jüngst als „Item“ in dem beliebten Spiel Minecraft. Das Wort „Avalon“ hat viele Bedeutungen, hier jedoch nimmt es Bezug auf die Insel Avalon (gallisch-indogermanisch abal = Apfel) aus der keltischen Mythologie, welche als Paradies angesehen wurde.
In einem unbestimmten Raum unter blauem Himmel kreisen wir um zwei gesichtslose Avatare, in deren Mitte sich ein goldener Apfel befindet. Wie in einem surrealen Traum finden wir uns in einer Endlosschleife wieder, in welchem die Figuren ein seltsames Gehabe an den Tag legen. Alles scheint sich um diesen Apfel zu drehen, der am Ende für alle unerreichbar bleibt.
1+2: Beide Videos zeigen dieselben Szenen, jedoch aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Diese Videoinstallation wird ortsspezifisch modifiziert. Die Idee ist, dass der virtuelle Raum die unmittelbare Ausstellungsumgebung zeigt.
„(…) Es ist schwierig, die räumlichen Dimensionen der Erinnerung zu definieren. Es ist da, das Zimmer meiner Kindheit, das ich immer noch aufräume und das immer noch stirbt, zur gleichen Zeit, wie seine Bewohner, – ihre sterbliche Hülle. (…)“ Tadeusz Kantor
Ein verlassenes Haus*. Die Räume bezeugen, dass hier einmal Menschen gewohnt haben. Dort verschmelzen Realität und Fiktion, Gegenwart und Vergangenheit miteinander. Wie in einem Albtraum durcheilen wir die Zimmer und werden dabei immer wieder mit einem alten Klassenfoto konfrontiert. Auf dem real existierenden Foto steht rückseitig: „Jahrgang 1911“. Wer waren diese Menschen? Erinnert sich noch jemand an sie? Ich leihe ihnen meine Augen und lasse sie post mortem wieder lebendig werden. Eine künstliche Lebendigkeit – ein Rettungsring gegen das Vergessen?
Mitten unter diesen Kindern sitze ich (Erika) als Bindeglied zwischen gestern und heute und denke laut über die Angst vor dem Verschwinden nach – oder kann Vergessen-werden auch eine Gnade sein? Das Kinderlied „Wann und wo sehen wir uns wieder und sind froh?“ muss unbeantwortet bleiben.
* Bei diesem Haus handelt es sich um das „House of New Realities“ – ein temporäres kollektiven Kunstwerk in der Bäckergasse 4 – eine Art Pop-Up Museum, das im Sommer 2023 im Rahmen des Augsburger Friedensfests durch Bluespots Productions ins Leben gerufen wurde. Die Installation „Post Mortem“ habe ich für diesen Ort modifiziert. Somit ist jene nun selbst zu einem Memorandum für diejenigen geworden, die diesen Ort einst belebt haben.
Das verlockende Angebot an KI-gestützen Anwendungen steigt. Mit ihrer Hilfe werden Erinnerungsfotos „zum Leben“ erweckt. Bringt uns dies der erinnerten Person näher? Oder erschaffen wir damit etwas anderes – etwas Neues? Etwas Unheimliches?
„Anna“ hat es wirklich einmal gegeben. Eine Beschriftung auf der Rückseite dieser Fotografie erzählt davon, dass es an jemanden gerichtet war, der sich an seine „kleine Freundin Hela“ erinnern sollte.