„Machen sie das Maul zu, sonst fallen ihnen Sägespähne aus dem Kopf!“ Kuhle Wampe (1932, Drehbuch: B. Brecht)
Kategorie: Mischtechnik
Schwarzes Kopftuch
Ein altes Familienalbum ist gefüllt mit persönlichen geistigen Verbindungen zur Vergangenheit: Briefe, Bilder, Worte…. Es ist ein Versuch der Rekonstruktion, um die Vergangenheit mit den Mitteln der Gegenwart wiederherzustellen. Aber wie viel Wahrheit steckt darin? Und wie viel Utopie?
Je größer die zeitliche und örtliche Distanz zur Vergangenheit, desto mehr reduziert sich die Wahrheit auf das Wesentliche – eine Metapher über Raum und Zeit, über Heimat und Kindheit.
Das Kopftuch ist ein Symbol. Es erzählt von Weiblichkeit und Unterdrückung, von Tradition und Religion, von gestern und morgen. Das Kopftuch spielt in vielen Gesellschaften eine wichtige Rolle. In der Tat ist das schwarze Kopftuch das Auffälligste, an das ich mich aus meiner Kindheit als Angehörige der deutschen Minderheit in Rumänien erinnere. Es war ein sichtbares Zeichen der Ehe und des „Deutschtums“. Das Kopftuch begleitet mich auch heute noch in meinem Leben: gesellschaftlich, politisch, persönlich.
Dieses Werk ist als physisches Objekt oder Video verfügbar.
Indizien
Das Fotoalbum ist eine Metapher des Zweifelns an der eigenen Existenz – eine Dokumentation von Spuren, die wertlos wird, wenn sich niemand mehr an die Geschichten hinter den Bildern erinnert. Ich habe dieses Fotoalbum auf dem Flohmarkt gekauft und neu bestückt – ein Archiv von Spuren mit Geschichten, die sich jedem Betrachter auf eigene Art erschließen.
Dieses Werk ist als physisches Objekt oder Video verfügbar.
Mütter und Söhne
„… unschwer erkennen wir viele Religiöse Motive, Heiligenbilder und Darstellungen der Mutter Gottes und dem Jesuskind. Diese beginnt die Künstlerin zu verweben mit Fotografien aus ihrer eigenen Vergangenheit. Somit verbindet sie auf faszinierende Art lebende, ihr selbst bekannte Menschen, wie ihre eigene Mutter und verwebt sie mit der Muttergottes, stellt sie ins Zentrum, oder stülpt der Heiligendarstellung einen anderen, größeren Kopf auf, das irritiert und lässt mich erstaunen, mit was für einer Leichtigkeit dies zu gelingen scheint. (…) Das Kind, der Säugling Jesus wird ausgewechselt mit vielleicht dem Bruder oder sonst wem und es wird dadurch für uns alle begreifbar das das Kleinkind nur im Vertrauensvorschuss auf seine Mutter sich entwickeln kann. (…) Auch zeigt uns die Künstlerin, dass dies nicht immer gelingen kann, indem sie roboterhafte Dämonen auftauchen lässt, die Mutter komplett einschwärzt und verschleiert, indem sie eine Vielzahl von Störungen in die Beziehung einbaut und wir erahnen, das wir selbst eine enorme Anzahl von Störungen in uns tragen. “ Helm Zirkelbach am 24.04.2016, Eröffnungsrede zur Ausstellung „Ansichtssache“
Kann eine Mutter ihren Sohn mehr lieben als ihre Tochter? Gibt es eine besondere Beziehung zwischen Mütter und Söhnen? Die Überhöhung männlicher Nachkommen und die Entwertung weiblicher findet vor allem in patriarchalischen Gesellschaften statt, aber auch andernorts – z.B. hier in der westlichen Kultur, wenn auch unterschwellig. Bemerkenswert jedoch ist, dass es oft die Mütter selbst sind, die das Selbstwertgefühl ihrer Kinder durch Erziehung formen und so den Teufelskreis am Laufen halten.
Das Ur-Bild einer Mutter-Sohn-Beziehung ist für mich das Sujet „Maria mit dem Jesuskind“. Im Jahr 2015 habe ich jeden Tag eine Postkarte aus meiner Sammlung bearbeitet – meist Motive mit Maria und Kind. Am Ende waren es 365 Kollagen über Mutterschaft und Kindheit.
Dies war ein Jahresprojekt angeregt von Antje Fischer, realisiert gemeinsam mit ihr und Marlies Achermann-Gisinger. Alle Arbeiten dieses Projektes mit mehr als 1000 Postkarten wurden in der gemeinsamen Ausstellung Ansichtssache in Münsingen der Öffentlichkeit präsentiert.
Virtueller Rundgang durch die Ausstellung.
Drum Bun
Was ist Erinnerung? Nichts anderes als eine Datensammlung im Langzeitgedächtnis, die weder objektiv, noch vollständig, noch wahr sein muss. Sie ist auch nicht immer verfügbar.
Aber das sich-Erinnern ist auch ein kreativer Prozess, der immer wieder neu interpretiert werden muss und daher einem ständigen Wandel unterliegt.
Die Rauminstallation zeigt 7 bearbeitete Papierbögen, die an einem Faden von der Decke hängen. Jeder Luftzug, der von einem vorbeigehenden Besucher erzeugt wird, versetzt die Papierbögen in Rotation, sodaß sie nicht immer von vorne zu sehen sind. So ergibt sich ein Gesamtbild, das nicht vollständig erfaßt werden kann und in ständiger Veränderung ist – so wie eine Erinnerung eben auch.
Briefe aus Utopia
Der Brief ist heute ein Relikt. Er war bis in jüngster Zeit das wichtigste Kommunikationsmedium zwischen Menschen an entfernten Orten. In ihm kommt die Synchronität von physischer Entfernung und geistiger Nähe zum Ausdruck. Er ist emotional aufgeladen – warum sonst wurde er liebevoll in Schuhkartons aufbewahrt oder im Zorn zerrissen? Die Briefe hier sind metaphorische Brücken zu einem Ort der Sehnsucht, der nur in der Erinnerung existiert – ein ganz persönliches Utopia.
Diese Arbeit nahm an der X-Border-Art Biennale in Rovaniemi / Finland und an der Open Art Biennale in Örebro / Schweden teil. Virtueller Rundgang
Heimat ist anderswo
Dieser Arbeit liegt folgendes Statement zugrunde:
„Heimat, hat man sie einmal verloren, ist immer anderswo.“
EKH
Im Mittelpunkt dieses Werkes steht die obsessive Suche nach einem Ort der Identifikation und Zugehörigkeit. Ich beschreibe es als eine lange Autofahrt ohne Ankunft. Denn jede scheinbare Ankunft macht einem schmerzlich bewusst, dass die Heimat nicht dort ist, wo man sie gesucht hat.
Das Buch ist ein altes Familienalbum, gefüllt mit meinen eigenen Fotografien, die ich meist aus dem fahrenden Auto heraus aufgenommen und anschließend mit einer digitalen Patina versehen habe. Auf diese Weise verschmelzen Gegenwart und Vergangenheit, Realität und Fiktion.
Unter der Oberfläche
Eine Oberläche ist die äußere Hülle eines Gegenstandes. Eine Oberfläche umhüllt, schützt und verbirgt Geheimnisse. Der Ledereinband eines Buches oder Fotoalbums ist buchtäblich die Haut, die die Seiten und damit auch den Inhalt schützt. Seit der Erfindung des Fotoapparates wurde es in der westlichen Welt Tradition, das kollektive Gedächtnis einer Familie in Fotoalben aufzubewahren und damit die eigene Herkunft zu dokumentieren. Es wurde von Generation zu Generation weitergereicht.
Jedoch ist das kollektive Gedächtnis nicht von Bestand (Aleida Assmann) und bereits nach drei Generationen hat es sich so sehr verändert, dass ein Familienalbum seinen ideellen Wert verlieren kann. Ich kaufe solche offensichtlich wertlos gewordenen Familienalben auf virtuellen Flohmärkten. Ich löse deren kollektives Gedächtnis auf, um ein neues, universelles zu erschaffen.
In dieser Arbeit lade ich den Betrachter dazu ein, seinen voyeuristischen Blick in ein unbekanntes Fotoalbum zu werfen. Seite für Seite, Schicht für Schicht dringt er tiefer ein unter die Oberfläche einer kryptischen Erzählung – einer Geschichte, die sich jedem auf andere Weise erschließt.
Dieses Werk ist als physisches Objekt oder Video verfügbar.
Das Leporello-Projekt
Dieses Faltbüchlein entstand als „Dialog“ zwischen zwei Künstlerinnen. Es wurde dabei mehrmals per Post hin- und hergeschickt zur Weiterbearbeitung. So erfuhr es immer wieder Veränderungen durch Überklebungen, Bemalungen und andere Techniken. „Meins“ und „Deins“ verschwammen immer mehr bis es am Ende zu einer Einheit verschmolz.
In gleicher Weise entstand ein „Zwilling“ (nicht eineiig), der bei der Künstlerin Antje Fischer verblieb.
Paradise Lost
Das „verlorene Paradies“ ist Ausdruck eines schmerzhaften Verlangens nach etwas Wertvollem, das man einmal besessen, dann aber wieder verloren hat. Es impliziert den sehnsuchtsvollen Blick zurück und den unvermeidlichen Gang nach vorne.
„If I die today after writing
This poem – God will have
Fulfilled his promise to show
Me Paradise – then take it away.
I want my poems cremated,
To vanish in the falling snow,
Dented words and phrases
To melt in the spring thaw;
Or better yet, load them onto
A boy’s sailboat and set me
Adrift, at last, in the fountain
Of the Jardin du Luxembourg.“
John Kay