Utopia wohnt nebenan

„25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges ist vielerorts wieder eine große politische Distanz zwischen Westeuropa (z.B. Österreich) und Osteuropa (z.B. Rumänien) auszumachen. Allein schon an den historischen Wahlverwandtschaften zwischen den Städten Wien und Timişoara lässt sich festmachen, dass dies ein Zerrbild ist. Für das Stück Utopia wohnt nebenan bewegen sich die Autor_innen durch die beiden Städte, inspiriert vom situationistischen Konzept der psychogeographischen Erkundung. Ausgangspunkte des ‚Umherschweifens’ sind jeweils die Stadtteile Innere Stadt und Josefstadt (die es aufgrund der gemeinsamen Geschichte in Wien und Timişoara gibt). Aus den dabei gesammelten Fieldrecordings und Fotografien komponieren sie die Klang-Bild-Landschaft einer utopischen Stadt, in der der Gegensatz von West und Ost außer Kraft gesetzt ist. In die Komposition eingewoben sind O-Töne mit Zeitzeug_innen, die sich an solidarisches Zusammenleben in ihrer Heimat in Wien bzw. Timişoara unter schwierigen sozialen und politischen Bedingungen in unterschiedlichen Phasen des 20. Jahrhunderts erinnern. Die Zitate werden anhand gemeinsamer thematischer Motive in einen dialogartigen Bezug zueinander gesetzt, die den Blick auf den „Überschuss des Möglichen im Wirklichen“ (Ernst Bloch) der realen Geschichte von Österreich und Rumänien eröffnen. Die Sprecher_innen sind Friederike Brenner (geboren 1923 in Mödling nähe Wien) und Johann Kassnel (geboren 1932 in Jahrmarkt bei Timisoara).“ (Gerald Fiebig)

Postludium

Das Video Postludium ist ein Nachruf auf das ehemalige Gaswerk in Augsburg / Oberhausen. Es zeigt einen geisterhaften Tanz in den leeren Räumen des Gebäudes, insbesondere eines historischen Gasometers vom Scheibentyp, das 1915 gebaut wurde, und eines anderen neueren Gasometers vom Scheibentyp („Gaskessel“). Diese Arbeit wirft die Frage auf, ob ein Gebäude ein Gedächtnis und damit auch eine Identität hat.

Das Sound-Werk „Echoes of Industry“ ist eine Produktion von Gerald Fiebig und Christian Z. Müller, und wurde im „Gaskessel“ aufgenommen.

Tänzerin: Alessandra La Bella

Heimat ist anderswo

2013, Fotoalbum, verschiedene Papiere, 34 x 21 x 6 cm, Mittelschwäbisches Heimatmuseum Krumbach, Kunstpreis der Stadt Krumbach

Dieser Arbeit liegt folgendes Statement zugrunde:

„Heimat, hat man sie einmal verloren, ist immer anderswo.“

EKH

Im Mittelpunkt dieses Werkes steht die obsessive Suche nach einem Ort der Identifikation und Zugehörigkeit. Ich beschreibe es als eine lange Autofahrt ohne Ankunft. Denn jede scheinbare Ankunft macht einem schmerzlich bewusst, dass die Heimat nicht dort ist, wo man sie gesucht hat.

Das Buch ist ein altes Familienalbum, gefüllt mit meinen eigenen Fotografien, die ich meist aus dem fahrenden Auto heraus aufgenommen und anschließend mit einer digitalen Patina versehen habe. Auf diese Weise verschmelzen Gegenwart und Vergangenheit, Realität und Fiktion.

Unter der Oberfläche

2014, Fotoalbum, Fotografie, verschiedene Papiere, Wachs, ca. 27 x 19 x 8 cm

Eine Oberläche ist die äußere Hülle eines Gegenstandes. Eine Oberfläche umhüllt, schützt und verbirgt Geheimnisse. Der Ledereinband eines Buches oder Fotoalbums ist buchtäblich die Haut, die die Seiten und damit auch den Inhalt schützt. Seit der Erfindung des Fotoapparates wurde es in der westlichen Welt Tradition, das kollektive Gedächtnis einer Familie in Fotoalben aufzubewahren und damit die eigene Herkunft zu dokumentieren. Es wurde von Generation zu Generation weitergereicht.

Jedoch ist das kollektive Gedächtnis nicht von Bestand (Aleida Assmann) und bereits nach drei Generationen hat es sich so sehr verändert, dass ein Familienalbum seinen ideellen Wert verlieren kann. Ich kaufe solche offensichtlich wertlos gewordenen Familienalben auf virtuellen Flohmärkten. Ich löse deren kollektives Gedächtnis auf, um ein neues, universelles zu erschaffen.

In dieser Arbeit lade ich den Betrachter dazu ein, seinen voyeuristischen Blick in ein unbekanntes Fotoalbum zu werfen. Seite für Seite, Schicht für Schicht dringt er tiefer ein unter die Oberfläche einer kryptischen Erzählung – einer Geschichte, die sich jedem auf andere Weise erschließt.

Dieses Werk ist als physisches Objekt oder Video verfügbar.

Ansichtssache – das Postkartenprojekt

2015, Videoinstallation, 10:30 min

Ein Gemeinschaftsprojekt mit Antje Fischer und Marlies Achermann-Gisinger.

Die handgeschriebene, analoge Postkarte ist heute – im Zeitalter von SMS und E-Mail – ein Relikt.

Im September 2014 entschlossen wir uns zu einem gemeinsamen Postkarten-Kunst-Projekt für das Jahr 2015. Jede sollte eine Postkarte pro Tag gestalten, freie Wahl der Technik und freie Wahl des Themas – so die Vorgabe.

In diesem Rahmen entstand auch die vorliegende Videoinstallation. Das visuelle Ausgangsmaterial sind Fotografien der Postkartenrückseiten, beschrieben oder blanco, mit Bearbeitungsspuren. Das akustische Material sind „Fieldrecordings“ in unseren heimatlichen Postämtern. Daraus entstand eine Klangkomposition aus zufälligen oder typischen Geräuschen, Dialogen und Verfremdungselementen.